Südtiroler Manifest zur Ernährungssicherheit

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Den Planeten ernähren“ – Was wollen, was können, was müssen wir tun

Die globale Ernährungssicherheit steht im Mittelpunkt der landesweiten Kampagne „MahlZeit – Coltiviamo la vita – Deboriada“.

Es geht dabei um die Vertiefung der großen Herausforderungen, die auf die Menschheit zukommen, und um die Fragen: Wie können wir uns und unseren Enkelkindern genügend hochwertige Nahrung sichern? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um weltweit die Produktion und den Konsum von regionalen, naturnah produzierten und fair gehandelten Lebensmitteln zu fördern?

Wir Südtiroler*innen stehen dabei nicht im Abseits, sondern sind Teil des Geschehens. Weichen für eine zukunftsfähige Entwicklung müssen somit auch bei uns gestellt werden.

Mit diesem Manifest wenden wir uns an die Bürger*innen in unserem Lande, an Produzent*innen, an Verantwortungsträger*innen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft, im Sozialbereich und in der Bildung.

Nicht nur Ihre unterstützende Unterschrift ist gefragt, sondern vor allem die persönliche Bereitschaft zu einem Umdenken und Mitmachen.

 

Die Herausforderungen…

In den letzten Jahrzehnten haben sich weltweit die Voraussetzungen für Nahrungssicherheit wesentlich verschlechtert und auch Zukunftsprognosen bestätigen folgende Trends:

  • Die Menge und Qualität der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen nehmen ab.
  • Die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser ist für einen großen Teil der Menschheit nicht mehr garantiert und nimmt momentan weiterhin ab.
  • Der Klimawandel verändert die landwirtschaftliche Produktion.
  • Die Öffnung des Marktes und die Abschaffung der Zölle, sowie der Aufkauf kleinerer Betriebe durch große Konzerne und Landgrabbing, erschweren Bauern den Zugang zum Markt. Die Folge ist vermehrte Landflucht und Migration.
  • Die Intensivierung des Chemieeinsatzes bei der Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln schafft gesundheitliche und ökologische Folgekosten, die sowohl Mensch als auch Natur stark belasten.
  • Weltweit werden unter hohem Energieeinsatz mehr Rohstoffe und somit wertvolle Ressourcen abgebaut, als der Planet regenerieren kann.
  • Die Kontrolle des Saatgutes durch einige wenige Konzerne nimmt zu und gleichzeitig nimmt die Artenvielfalt dramatisch ab.
  • Die Nutzung von landwirtschaftlichen Produkten für die Erzeugung von Energie und Agrartreibstoffen , nimmt rapide zu und entzieht somit diese Produkte dem menschlichen Verzehr.
  • Durch Lebensmittelverschwendung und Lebensmittelverluste geht Jahr für Jahr ein beträchtlicher Teil der für den menschlichen Konsum erzeugten Nahrungsmittel verloren.
  • Lange Lieferketten bei der Lebensmittelproduktion und im Handel führen zu einer erhöhten Intransparenz, wodurch ethische und ökologische Entscheidungen der Konsument*innen erschwert werden.
  • Der Export von subventionierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen (z.B. Fleisch) aus der EU in die Länder des Südens zerstört die Existengrundlage der lokalen Kleinproduzent*innen.
  • Die Kluft zwischen „Arm und Reich“ wird immer tiefer, die Verteilung von Nahrungs- und Geldmitteln immer unausgewogener.

Wirtschaftlich und bildungsmäßig benachteiligte Bevölkerungsgruppen weisen eine kürzere Lebenserwartung und erhöhte gesundheitliche Risiken (u. a. durch Mangel- und Fehlernährung) auf.

…Schritte zur Lösung

Südtirol steht nicht im Abseits, sondern spielt im globalen Szenarium sehr wohl mit. Dies bedeutet, dass wir auch in Südtirol Weichen stellen müssen und Maßnahmen setzen, um Ernährungssouveränität hier und weltweit gewährleisten zu können.

Um diese Herausforderung zu bewältigen ist zweierlei nötig: Zum einen wird die Bereitschaft der einzelnen Bürger*innen zu einem achtsamen und bewussten Umgang mit Nahrung benötigt, sowie deren Einsicht, dass durch den eigenen täglichen Konsum und Lebensstil Einfluss genommen werden kann. Zum anderen ist die Bereitschaft von Seiten der Politik und öffentlichen Verwaltung nötig, diesen Wandel zu fördern und Rahmenbedingungen für die Ernährungssouveränität zu schaffen.

Dieses Manifest greift 10 verschiedene Bereiche auf und präsentiert Handlungsmöglichkeiten innerhalb dieser. Wir wollen dadurch nicht „Patentrezepte“ anbieten, sondern gemeinsam im Dialog Wege zur lokalen und globalen Ernährungssouveränität suchen und gestalten.

  1. Landwirtschaft

 

Die Landwirtschaft in Südtirol ist geprägt durch eine relativ homogene territoriale Verteilung. Die Hauptkulturen Äpfel und Trauben konzentrieren sich in den Talsohlen. Die landwirtschaftlichen Betriebe in Südtirol üben ihre Tätigkeit vorwiegend mit familieneigenen Arbeitskräften aus. Südtirols Apfelbauern wirtschaften großteils nach den Richtlinien des sogenannten integrierten Anbaus (AGRIOS, die Arbeitsgruppe für den Integrierten Obstanbau in Südtirol). 2014 wurden 98 Prozent der Südtiroler Kernobstbaufläche nach diesen Richtlinien bewirtschaftet. Ein Großteil der produzierten Äpfel wird exportiert.

Die Möglichkeiten zu einer Verbesserung der Ernährungssicherheit in Südtirol sind vielfältig.

Um Ernährungssicherheit im Lande zu gewährleisten:

  • soll der breitgefächerte Anbau von Nahrungsmitteln für den regionalen Markt stärker gefördert werden: z.B. durch lokale Bauernmärkte, die Zusammenarbeit von Produzent*innen und Konsument*innen in Form der Solidarischen Landwirtschaft, die Schaffung von so genannten Allmenden für die Nutzung durch die Bevölkerung, den Einsatz lokal produzierter Nahrungsmittel in der Gemeinschaftsverpflegung;
  • muss nutzbarer landwirtschaftlicher Boden als wertvolle Ressource geschützt und erhalten werden, zum Beispiel durch den Schutz vor weiterer Verbauung, vor Erosion und vor Bodendegradierung, sowie Humusabbau durch übermäßigen Einsatz von Düngemitteln.
  • soll die Erhaltung, Pflege und Vermehrung alter Kultursorten und Haustierrassen gefördert werden;
  • sind ein nachhaltiger Schutz der Umwelt und der Bevölkerung durch eine Pestizidverringerung, sowie die Förderung der biologischen Landwirtschaft, unverzichtbar.
  • soll die Landwirtschaft in Südtirol auch in Zukunft gentechnikfrei gestaltet werden.
  • soll das Bodenbündnis durch den Beitritt weiterer Gemeinden und entsprechende Projekte und Initiativen gestärkt werden.
  • sollen Kleinunternehmen wirtschaftlich unterstützt werden, um konkurrenzfähig zu sein. Eine faire Preiswirtschaft ist dafür unumgänglich;
  • müssen durch entsprechende Landschaftselemente und verringerten Pestizideinsatz die Artenvielfalt und dadurch auch Nützlinge, insbesondere die bestäubenden Insekten, gefördert werden.
  1. Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie

 

Die Bereiche der Gemeinschaftsverpflegung und der Gastronomie verköstigen tagtäglich viele erwerbstätige Personen, aber auch Kinder und Jugendliche sowie Senior*innen, Kranke und Pflegebedürftige. Als Großabnehmer sind sowohl die Gemeinschaftsverpflegung als auch die Gastronomie imstande, ökologische und wirtschaftliche Akzente für mehr Ernährungssouveränität und Nachhaltigkeit zu setzen. Zudem kommt der Gemeinschaftsverpflegung eine wichtige Vorbildfunktion hinsichtlich der Gesunderhaltung der Bevölkerung und der Prävention von Erkrankungen zu.

Handlungsansätze für die Bereiche Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie:

  • Fleischmahlzeiten sollten weniger oft angeboten sowie die Portionsgrößen der Fleischkomponente verringert werden. Zugleich soll das Angebot vegetarischer Speisen ausgeweitet werden. (Die Ernährungsgesellschaften in Deutschland und Österreich empfehlen maximal drei Fleischmahlzeiten à 100-200 g wöchentlich, inklusive Fleisch- und Wurstwaren.)
  • Beim Einkauf sollen hochwertige, saisonale, regional und naturnah erzeugte Nahrungsmittel bevorzugt werden. Bei öffentlichen Ausschreibungen für die Gemeinschaftsverpflegung soll auf diese Qualitätskriterien verstärkt Gewicht gelegt werden.
  • Die Zusammenarbeit mit lokalen Produzent*innen sollte verstärkt werden. Es ist wichtig, auch das Personal entsprechend zu schulen, beispielsweise durch Betriebsexkursionen.
  • Der Einkauf von kontrolliert biologischen Lebensmitteln und Produkten aus dem Fairen Handel sollte weiter ausgebaut werden.
  • Besonderes Augenmerk ist auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu richten.
  1. „Urban Gardening“ – Ernährungssicherheit im städtischen Bereich

 

Gärten im urbanen Raum haben eine große ökologische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung. Sie stärken und fördern das Gemeinschaftsleben, ermöglichen eine sinnstiftende Freizeitgestaltung, bieten die Möglichkeit zur teilweisen Selbstversorgung mit frischen, saisonalen Nahrungsmitteln, tragen zum Klimaschutz bei, schaffen Lebensräume für Nützlinge, können zur Erhaltung, Pflege und Vermehrung alter und standortangepasster Kultursorten beitragen und zur Sensibilisierung hin zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln.

Um Südtiroler „essbare Städte“ zu gestalten, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Flächen an öffentlichen Plätzen und in Parks sollen für den Anbau von Lebensmitteln freigegeben werden, wobei diese von Privatpersonen, Sozialgenossenschaften, Bildungsinstitutionen oder den Stadtgärtnereien angelegt und gepflegt werden können, und für die breite Masse der Bevölkerung zum Verzehr zur Verfügung gestellt werden.
  • Bei Neubauten soll die Möglichkeit von Balkongärten mitangedacht werden, oder bei Siedlungen Gemeinschaftsgärten in der näheren Umgebung.
  • Die Errichtung von transportablen Hochbeeten könnte in vielen städtischen Zonen zu einer Belebung der Gartenkultur beitragen.
  • In Bildungsinstitutionen sollten sowohl räumliche als auch zeitliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass Gärten geplant, gestaltet, gepflegt und geerntet werden können. Durch diese praktischen Aktivitäten wird ein Bezug zum Lebendigen hergestellt.
  • In größeren Betriebsgelände können Gemeinschaftsgärten für die Mitarbeiter*innen errichtet

 

  1. Bildung und Schule

 

Der Bildungsbereich der „Ernährung“ ist für alle Altersstufen besonders wichtig und auch in Südtirol noch ausbaufähig. Bildung sollte die gesamte Bevölkerung von Südtirol zum kritischen Hinterfragen anregen, sie befähigen, sich selbst zu versorgen und eigene Ernährungsgewohnheiten zu überdenken und bei Bedarf zu verändern, die Theorie sollte mit der Praxis verknüpft werden, klima-, umwelt-, sozial- und regionalverträgliche Verhaltensweisen sollten gemeinsam erarbeitet und ausprobiert werden. Die Bewusstseinsbildung zu lebensmittelbezogenen Themen (Wo und unter welchen Bedingungen werden Lebensmittel produziert? Wie werden sie verarbeitet? Wie können Lebensmittelabfälle vermieden werden? Usw.) soll auf allen Ebenen ansetzen und eine höhere Wertschätzung der Lebensmittel bewirken.

Damit das Bewusstsein und die Handlungsfähigkeit aller Bürger*innen von Südtirol verbessert wird sollen folgende Bildungswege eingeschlagen werden:

  • ein positiver und freudiger Lernprozess den gesamten Bereich der „Ernährung“ (psychologische, traditionelle, wissenschaftliche, gesundheitliche, ökologische, ökonomische, ethische, u. a. Aspekte) betreffend soll für alle Altersstufen regelmäßig ermöglicht werden (z. B. durch Workshops für definierte Altersgruppen mit hohem Praxis- und Selbstbeteiligunsanteil und unter Berücksichtigung von aktuellen Forschungsergebnissen);
  • die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Ess- und Konsumverhalten soll für alle Bürger*innen mindestens einmal pro Jahr erfolgen (z. B. durch Angebote, die den Dialog fördern, s. „Dialogküche“);
  • projekt- und handlungsorientierte Unterrichtsmethoden sind für diese Thematik besonders wichtig;
  • die Zusammenarbeit aller am „Ernährungssektor – Südtirol“ beteiligten Einrichtungen, Unternehmen und öffentlicher Institutionen sollte gerade im Bereich der Bildung gut koordiniert und aufeinander abgestimmt erfolgen (z. B. durch das Einrichten einer landesweiten Koordinierungsstelle);
  • neueste Forschungsergebnisse und nachhaltige Unterrichtsmodelle sollen schnellen Eingang in den Bildungsalltag finden;
  • die konkrete Umsetzung der Theorie in die Praxis soll geübt und ermöglicht werden (z. B. durch das gemeinsame Anlegen von Schulgärten, das artgerechte Betreuen von eigenen Schulhühnern oder anderen Nutztieren, die aktive Nutzung von Schul- und Lehrküchen, u.a.);
  • der Kontakt und Dialog aller Bürger*innen zu diesem wichtigen Bereich und die Wertschätzung der lebendigen Umwelt soll durch konkrete Erfahrungen gezielt verbessert werden (z. B. durch genussvolle Sensorik-Veranstaltungen, Slow-Food-Veranstaltungen, das Kennenlernen aller Anbauverbände in Südtirol durch genussvolle Hofwanderungen und der in diesem Bereich tätigen Forschungs- und Bildungseinrichtungen durch „Tage der offenen Tür“ mit entsprechenden Angeboten, usw.).

 

 

  1. Forschung und Biotechnologie

 

Die aktuelle wissenschaftliche Forschung und die enormen Fortschritte im Bereich der Biotechnologie ermöglichen bei einer durchdachten und sinnvollen Nutzung eine wesentliche Verbesserung der Ernährungssicherheit weltweit und auf lokaler Ebene:

  • In diesen Bereichen soll die Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen Schulen, Forschungsinstitutionen und Nutzer*innen, aber auch zwischen Produzent*innen untereinander initiiert und unterstützt werden.
  • Die Ausbildung zu den Themen der Ernährungssicherheit soll unter Berücksichtigung neuester Forschungsergebnisse intensiviert werden.
  • Innovative, kostensparende, umweltschonende Methoden sollten verstärkt entwickelt und an die möglichen Nutzer*innen weitergeben werden.
  • Vielfalt und Artenreichtum sollen gezielt gefördert werden (z. B. durch eine finanzielle Förderung der Vorhaben entsprechend tätiger Vereine).
  • Die ökologische Pflanzenzüchtung soll gefördert werden, um den Anbauern*innen samenfeste Sorten zur Verfügung zu stellen, die den Menschen gut nähren und durch die Nutzung ihrer standortspezifischen Potentiale weniger chemische Betriebsmittel von außen benötigen.
  • Weiterverarbeitungsmöglichkeiten (kreativer Umgang mit der Lebensmittelbiotechnologie) und geschlossene Kreisläufe (Umweltbiotechnologie verstärkt nützen) sollen aufgezeigt und praktisch verankert werden.
  • Forschungsprojekte sollen Aspekte der Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit berücksichtigen.
  • Wichtige aktuelle Forschungsergebnisse und Möglichkeiten der Umsetzung sollen regelmäßig, einfach und gut verständlich an die jeweiils davon betroffenen Bevökerungsschichten weitergegeben werden. Verbraucher*innen sollen über die tatsächlichen Praktiken und Methoden der Lebensmittelindustrie sachlich und regelmäßig informiert werden.
  • Eine ethische, ökologische und risikoorientierte Hinterfragung der Methoden und Möglichkeiten soll gezielt erfolgen und eine positive Weiterentwicklung ermöglicht werden.
  • „Altes (z. B. althergebrachte Fermentationstechniken) und neues Wissen (z. B. genaue Kenntnisse über die Stoffwechselwege und –produkte verschiedenster Mikroorganismen, Mikrobiomforschung, etc.)“ sollen kreativ miteinander kombiniert und zum Wohle der gesamten Erde und all ihrer Lebewesen eingesetzt werden.
  1. Verbindung Konsument*innen – Produzent *innen

Durch den täglichen Einkauf können Konsument*innen direkt oder indirekt nachhaltige Wirtschaftsmodelle fördern und Kleinbäuer*innen hier und im Süden der Welt unterstützen. Der direkte Kontakt zu den Produzent*innen kommt dem Bedürfnis der Konsument*innen nach Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Authentizität entgegen.

Folgende Handlungsmöglichkeiten können zu einem ernährungssouveränen Südtirol beisteuern:

  • Transparente Etikettierung: Dem*der Konsument*in sollen durch das Etikett Informationen zum Produktionsland und der Produktionsweise gegeben werden, sowie die Möglichkeit der Rückverfolgung der gesamten Lieferkette.
  • Der Direktverkauf ab Hof soll erleichtert und somit für eine höhere Anzahl an bäuerlichen Betrieben geöffnet werden.
  • Eine direkte Verbindung zwischen Konsument*innen und Produzent*innen kann durch den Vorverkauf von Produkten, durch Genussrechte oder Nutzungsrechte gewährleistet werden. Außerdem ermöglicht dies Bäuer*innen eine langfristige Garantie und dem*der Konsument*in hochwertige und nachhaltige Produkte zu einem guten Preis.
  • Unterstützung der solidarischen Landwirtschaft durch vermehrte Projekte innerhalb des Landes, durch die Schaffung der Rahmenbedingungen und der logistischen Unterstützung.
  • In Bildungsinstitutionen soll der zeitliche Rahmen geschaffen werden, um Produzent*innen, sowie deren Arbeit kennenzulernen.
  • Märkte für lokale Produzent*innen fördern den Austausch zwischen diesen und den Konsument*innen.
  • FoodCoops Gruppi di acquisto solidale stärken
  1. Biodiversität

Bei den Pflanzen sind europaweit ca. 3000 Arten gefährdet. Darunter finden sich auch 27 Arten, die vor dem Aussterben stehen. Der Artenschwund hängt sehr eng mit dem Rückgang an natürlichen oder naturnahen Lebensräumen zusammen.
Laut der Roten Liste Südtirols sind rund 41 Prozent der heimischen Tierarten bedroht. Damit liegt Südtirol im europäischen Mittelfeld. Die intensive Nutzung der Tallagen und die damit einhergehende Vernichtung, Zerschneidung und Isolierung von Restbiotopen sind der Hauptgrund für diese Entwicklung.

Um einen weiteren Verlust an Biodiversität zu begegnen bzw. um eine Verbesserung der Situation herbeizuführen, sind dringend Schritte notwendig:

  • Ein langfristiges Biodiversitätsmonitoring sollte aufgebaut werden. Dieses sollte mit einigen wenigen Kernindikatoren zur Messung von Biodiversitätsänderungen starten. Diese Kernindikatoren sollen sich an bestehenden internationalen Indikatoren orientieren und an Südtirol angepasst sein. Als Beispiel könnte etwa das Biodiversitätsmonitorings der Schweiz dienen.
  • Zukünftige Forschungsvorhaben sollten sich nicht nur mit der Bedeutung der Biodiversität im Ökosystem auseinandersetzen, sondern auch eingehender die sozio-ökonomischen Folgen (Ökosystemleistungen) von Biodiversitätsveränderungen beurteilen. Nur so ist eine umfassende Beurteilung (d.h. monetär und nicht-monetär) der Biodiversität in der Gesellschaft und für die Gesellschaft möglich.
  • Die landwirtschaftliche Nutzung sollte in Südtirol großflächig extensiviert werden, um damit die Landwirtschaftsflächen wieder vielfältiger werden zu lassen. Dazu wäre eine Verringerung der Futterzukäufe, eine Reduzierung der Großvieheinheiten und eine Diversifizierung der Nutzung notwendig.
  • Eine zukünftige Land- und Forstwirtschaftspolitik sollte sich vermehrt mit langfristigen Landnutzungsänderungen auch in Zusammenhang mit Veränderungen infolge eines Klimawandels auseinandersetzen und künftige Szenarien entwickeln. Sie sollte Handlungsanforderungen an die Akteure definieren. In der Folge sollten regionale Steuerungsmaßnahmen entwickelt werden.
  • Es fehlt am Wissen zu konkreten Maßnahmen, wie der Biodiversitätsverlust zu stoppen ist bzw. wie unerwünschter Biodiversitätsveränderungen zurückgeführt werden können.
  • Die Biodiversitätsforschung weist große Lücken auf, was die Auswirkungen der Akteure Verkehr, Energiewirtschaft und Naturschutz sowie partielle Lücken was die Akteure Siedlungsraumentwicklung, Handwerk und Industrie, Wasserwirtschaft sowie Land- und Forstwirtschaft, auf die Biodiversität betrifft. Hier sollten zukünftig verstärkt Akzente gesetzt werden.
  • Trotz der politischen Bedeutung der Alpen- und Biodiversitätskonvention hat sich die Gesellschaft noch zu wenig mit den darin verankerten Zielen auseinandergesetzt. Eine Genehmigung zukünftiger Maßnahmen, Bauvorhaben, Förderprogramme usw. sollte dahingehend beurteilt werden, ob diese einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten.
  • Die Ansätze der Permakulturforschung und Permakulturführung sollen verstärkt in Südtirol berücksichtigt, erforscht und gefördert werden.

 

  1. Klimaschutz

 

Der globale Klimawandel macht vor den Grenzen Südtirols nicht Halt: auch hierzulande sind die Auswirkungen des Klimawandels bereits spürbar. Die Klimaschutz-Strategie des Landes Südtirol sollte sich jedoch nicht nur auf den Bereich Energie fokussieren. Die Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung von Lebensmitteln und der Handel damit tragen ebenfalls wesentlich zum anthropogenen Treibhauseffekt bei.

Handlungsansätze zum Klimaschutz auf der Ebene der Konsument*innen:

  • Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel und Verringerung des Konsums tierischer Lebensmittel, insbesondere von Fleisch. Bevorzugung von tierischen Lebensmitteln hoher Qualität aus artgerechter Tierhaltung.
  • Vermeidung von Lebensmittelabfällen durch bedarfsgerechten Einkauf, sachgerechte Lagerung und Weiterverarbeitung von Lebensmittelresten.
  • Bevorzugung von Lebensmitteln aus biologischem Anbau.
  • Bevorzugung von regional erzeugten, saisongerechten Lebensmitteln und Verzicht auf Lebensmittel, die per Flugzeug transportiert wurden.
  • Bevorzugung von frischen Lebensmitteln gegenüber Tiefkühlware und stark verarbeiteten Produkten.
  • Bevorzugung von Leitungswasser gegenüber abgefüllten Getränken.

Handlungsansätze zum Klimaschutz auf der Ebene der anderen Akteure:

  • Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe und dadurch Verringerung des Einsatzes fossiler Energieträger, beispielsweise im Bereich Lebensmitteltransporte.
  • Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen und –verlusten durch alle Akteure im Ernährungsbereich.
  • Förderung der Kreislaufwirtschaft im Bereich Landwirtschaft und dadurch Reduktion des Einsatzes von Mineraldüngern (bei der Herstellung von 1 kg mineralischem Stickstoffdünger werden rund 6 kg CO2 freigesetzt) und somit der Emissionen von Lachgas sowie Reduktion des Einsatzes von importierten Futtermitteln.
  • Förderung des Humusaufbaus im Boden und dadurch verbesserte CO2-Speicherfähigkeit.
  • Förderung und Aktivierung des direkten Trinkwasserkonsums, um unnötiger Materialverschwendung (Plastik-, Glasflaschen, Dosen, etc.) und dem Transportaufwand entgegen zu wirken.
  1. Internationale Kooperation (Wir sind Teil der Welt!)

Südtirol kann auch international einen wichtigen Beitrag zur globalen Ernährungssouveränität leisten: Durch finanzielle Unterstützung, wie auch durch politische und kulturelle Initiativen in den interregionalen, nationalen und europäischen Einrichtungen. Wichtig ist dabei vor allem, dass Südtirol zu einem „guten Beispiel“ für nachhaltige Regionalentwicklung wird, an dem sich andere Regionen orientieren können.

International geht es vor allem darum, mit folgenden Maßnahmen die Zukunft der Ernährung zu sichern:

  • Export-Subventionen für landwirtschaftliche Produkte dürfen nicht zu einer Bedrohung der lokalen Landwirtschaft und der Ernährungssouveränität in den Ländern des Südens werden.
  • Das Menschenrecht auf Nahrung darf nicht weiterhin Gegenstand von Finanzspekulation sein; die Produktion, Verarbeitung und Distribution von Nahrungsmitteln bedarf einer demokratischen Kontrolle, damit es zu keinen marktbeherrschenden Stellungen einzelner Konzerne kommen kann.
  • Ebenso ist eine stärkere Kontrolle zur Einhaltung der bisher geltenden Regelung, dass Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahrung zur Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht patentiert werden dürfen (Art. 53 Europäisches Patentrecht), nötig. Patente auf Pflanzen und Tiere fördern die Marktkonzentration und bringen Landwirte und andere Betroffene in immer stärkere Abhängigkeiten von großen Konzernen.
  • Besonders gravierend sind die Angriffe auf die Ernährungssouveränität in den Ländern des Südens der Welt. Dort werden viele Regierungen finanziell unter Druck gesetzt, um den großen internationalen Konzernen das alleinige Recht auf Anbau und Weitergabe neu gezüchteter Sorten zu sichern.
  • Bauernfamilien im Süden der Welt benötigen einen stärkeren Schutz vor Landenteignung und Landgrabbing. Wirtschaftliche, rechtliche und politische Unterstützung sind wesentlich, damit diese Bauern nicht Opfer von Spekulationen werden und dadurch ihre Lebensgrundlage verlieren.
  • TTIP – dieses Abkommen soll kritisch hinterfragt werden.
  • Die internationale Staatengemeinschaft ist die Verpflichtung eingegangen 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Projekte der internationalen Kooperation zur Verfügung zu stellen. Kaum ein Land hat dieses Versprechen eingehalten. Auch das Land Südtirol ist diesbezüglich gefordert: Daher sollen die Mittel für die Projektförderung im Süden der Welt aufgestockt werden, zusätzlich werden mehr personelle und finanzielle Ressourcen für die Bewusstseinsbildung im Lande gebraucht.
  • Projekte des „fairen Handels“ sollen auf allen Ebenen gefördert und unterstützt werden.

 

  1. Eine „gesegnete“ Mahlzeit

 

„Wir sind was wir essen, wir sind wie wir essen“. Die Achtung, die wir unseren Nahrungsmitteln schenken, ist letztlich Ausdruck einer Wertschätzung, die wir uns selbst geben. Jeder Bissen, jeder Schluck wird Teil unseres Körpers; daher kann es uns nicht gleichgültig sein, woher diese Nahrung kommt und wie sie zusammengesetzt ist. Die Lebensmittel sind nicht nur Mittel zum Leben, sondern ein verbindendes Glied zur Welt um uns. In allen Kulturen der Welt gab und gibt es besondere Formen der Segnung unserer Nahrung. Wenn wir uns „Mahlzeit!“ wünschen,verbindet dies, über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg und unterstreicht das Gemeinsame, das uns als Menschen dieser Erde auszeichnet. In der Achtsamkeit, im Respekt, mit der wir uns nähren, werden auch die Weichen für die globale Ernährungssicherheit gestellt.

Nahrung verbindet: Das gemeinsame Essen, ob in der Kleinfamilie oder in größeren Gemeinschaften, hat wesentliche Auswirkungen auf die Lebensqualität. Sowohl für den Einzelnen, wie auch für die Stabilität der Gemeinschaft. Daher sollte es Ziel der Familienpolitik sein, Rahmenbedingungen zu stärken, die diese gemeinsame Mahlzeit erleichtern und fördern. Die Familie war immer schon ein wesentlicher Lernort für Subsistenz und Hauswirtschaft: gemeinsamer Anbau von Nahrungsmitteln im Garten und die Verarbeitung/Konservierung dieser Produkte sind nicht nur aus einer ökonomischer Sicht wichtig, sie stärken auch die Übernahme von Eigenverantwortung und Selbstmächtigkeit; gleichzeitig wird dadurch wieder ein Bezug zum Lebenszyklus der Nahrungsmittel hergestellt, der vielfach verloren gegangen ist.

 

Ernährungssicherheit ohne Ernährungssouveränität gibt es nicht!

 

Wir verwenden in unserem Manifest beide Begriffe gleichwertig, weil in unserem Verständnis eine langfristige „Sicherheit“ der Ernährung nur dann gegeben ist, wenn ein Großteil der Nahrung lokal und regional produziert wird. Es geht nicht nur um die Menge an Nahrungsmitteln, die den Menschen weltweit zur Verfügung stehen, sondern vor allem, wie diese produziert

und verteilt werden. Ernährungssouveränität ist das Recht von Menschen auf gesunde und kulturell entsprechende Nahrung, die durch nachhaltige Methoden produziert wird, sowie das Recht auf die Gestaltung eigener Lebensmittel- und Landwirtschaftssysteme. Es stellt die Bedürfnisse und Existenzgrundlagen der Produzent*Innen, und Konsument*Innen in den Mittelpunkt der Lebensmittelsysteme und damit vor Interessen der Märkte und Unternehmen.

 

 

Fußnoten:

„Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen“ (Martin Luther)

 

Die folgenden Fußnoten geben einen tieferen Einblick in die vielen Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir für alle Menschen Ernährungssicherheit wollen.   Wir sind zuversichtlich, dass es gelingen kann, dieses Ziel zu erreichen. Unser Manifest ist ein solcher Apfelbaum, der für die Zukunft gepflanzt wird.

 

Bevölkerungswachstum:

Prognosen von UN-Einrichtungen erwarten ein Anwachsen der Weltbevölkerung um 35 Prozent bis zum Jahre 2050; d.h. auf rund 9 Milliarden Menschen. Gleichzeitig wird angenommen, dass die Verstädterung weiter stark zunehmen wird. Die städtische Bevölkerung der Welt ist in den letzten Jahrzehnten rapide gewachsen – von 747 Millionen Menschen im Jahr 1950 auf 3,9 Milliarden im Jahr 2014. Bis zum Jahre 2050 werden den UN-Projektionen zufolge 2,5 Milliarden weitere Menschen in Städten leben. 90 Prozent dieses Wachstums entfällt auf Asien und Afrika. Lebten im Jahr 1950 noch 30 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, werden es im Jahr 2050 voraussichtlich 66 Prozent sein. Im Jahre 2014 waren es 54 Prozent. Quelle: UN World Urbanization Prospects, The 2014 Revision.

Hunger:

Die Milleniumsentwicklungsziele sahen bis zum Jahre 2015 eine Halbierung des Anteils der Hungernden vor; von diesem Ziel ist man noch weit entfernt. Die absolute Zahl der Hungernden ist mit 842 Millionen immer noch erschreckend hoch. Diese Zahlen erfassen auch nicht die Menschen, die an Mangelernährung leiden. Etwas zwei Milliarden Menschen nehmen nicht ausreichend Eisen, Vitamin A oder andere Nährstoffe zu sich. Dieser „versteckte Hunger“ wirkt sich vor allem auf die Gesundheit der Kinder aus . (Quelle: UN Jahresbericht zu Millenniumszielen 2014). Doch die Verarmung trifft nicht nur die Entwicklungsländer: In den USA haben rund 50 Millionen keine Ernährungssicherheit, in Europa sind es 43 Millionen.

Landwirtschaft:

Die Nachfrage nach Getreide wird immer stärker, nicht nur aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl, sondern auch weil in den Entwicklungs- und Schwellenländer die Nachfrage nach Fleischprodukten weiter ansteigen wird. (So ist beispielsweise in den letzten Jahren der Fleischkonsum in China um 28 kg pro Kopf angestiegen (plus von 50 Prozent). Der Konsum von Käse stieg um 70%.

Böden und Ackerland:

Ein gesunder und fruchtbarer Boden ist unabdingbar für die zukünftige Ernährungssicherung. „Vernichtet eine Nation ihre Böden, vernichtet sie sich selbst“ – Dieser Ausspruch von Franklin D. Roosevelt gilt nicht nur für einzelne Nationen, sondern für die ganze Welt.

Seit Ende des 2. Weltkriegs sind weltweit rund 1,2 Milliarden ha Ackerland verlorengegangen; das entspricht ungefähr der Fläche von Indien und China zusammen. In den letzten 25 Jahren ist ein Viertel der gesamten Erdoberfläche degradiert; d.h. die Böden haben sich in ihrer Qualität verschlechtert. In Spanien sind bereits 40 Prozent der Böden geschädigt. (Quelle: Ute Scheub, Terra Preta)

     Bodendegradierung wirkt sich nicht nur auf die Bodenfruchtbarkeit aus, sondern auch

     auf den Wasserhaushalt im Boden sowie dessen CO2-Speicherfähigkeit (und somit auf

     den Klimawandel).

Jährlich gehen rund 24 Milliarden Tonnen an Oberflächenboden verloren (Quelle: Bodenatlas 2015), das entspricht ungefähr der Fläche der Schweiz. (gefunden auf Wikipedia, jedoch ohne Quellenangabe)

Da es für die Neubildung von nur 1 cm Boden rund 200 Jahre braucht, gilt der Boden als nicht erneuerbare Ressource.

Landgrabbing:

Seit dem Jahr 2000 sind ca. 80 Millionen ha in Afrika, Südamerika und Asien gehandelt worden; vor allem in den afrikanischen Ländern Äthiopien, Sudan, Kenia, Liberia, Mali kann Ackerland relativ billig angekauft werden. In Sambia beispielsweise bezahlt man zwischen 800 und 1.000 US-Dollar pro Hektar. Käufer sind vor allem die Ölstaaten, Indien, China und private Anlegergruppen.

Häufig wird die Bevölkerung, die „ihr“ Land gewohnheitsmäßig schon lange bestellt, unter Druck gesetzt, bzw. gewaltsam vertrieben, also kann das Land nicht nur billig gekauft werden, sondern es wird regelrecht geraubt.

Klimawandel:

Der Temperaturanstieg macht die Landwirtschaftsproduktion krisenanfälliger; die rapiden klimatischen Veränderungen geben den Pflanzen nicht Zeit genug, sich anzupassen. Der Klimawandel und die damit zusammenhängenden Katastrophen (Stürme, Überflutungen) bewirken einen starken Anstieg der Klimamigration; in den letzten Jahren gab es weit mehr Umweltflüchtlinge als kriegsbedingte Flüchtlinge.

In einem Bericht eines internationalen Forscherteams im Auftrag der britischen Regierung wird als Folge des Klimawandels vor einer Verdreifachung der Lebensmittelpreise und tödlichen Hitzewellen gewarnt, von einer Verdoppelung der Anzahl von Menschen, die dramatischem Wassermangel ausgesetzt sind, von extremen Trockenheiten, durch die in den USA, Südafrika und Südasien große Ackerflächen verwüstet werden.

Chemikalien:

Der Einsatz von Chemikalien zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion mag zwar kurzfristig positive Ergebnisse bringen, hat aber enorme Folgekosten. Laut einer Studie der New York University belaufen sich die jährlichen Folgekosten durch die Schädigung der Gesundheit in Europa auf mehr als 150 Milliarden Euro. (vor allem neurologische Auswirkungen, wie Beeinträchtigungen der Intelligenz und Anstieg der Krebserkrankungen. Systemische Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide und Fipronil haben sich in den Böden und in den Gewässern angereichert und dadurch zu einem Rückgang von Bienen und anderen Bestäubern geführt. Da drei Viertel der Pflanze von Bestäubern abhängig sind stellt der Einsatz dieser Pestizide eine Gefährdung der weltweiten Lebensmittelproduktion dar. (Studie der Universität von Sussex – 2014)

 

Lebensmittelverschwendung

Für die Hälfte aller verschwendeten Lebensmittel sind die Konsumenten verantwortlich, für die andere Hälfte die Gastronomie und die Produzenten. Durchschnittlich werden pro Jahr alleine in der EU 90 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, was pro EU Bürger durchschnittlich 179 kg bedeutet. Weltweit wird laut UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) eine Menge von 1,3 Milliarden Tonnen weggeworfen. Somit wird weltweit mehr als ein Viertel der Ackerfläche dazu genutzt, um Nahrung zu produzieren, die nie gegessen wird. Laut Studien besteht die Gefahr, dass die Verschwendung bis zum Jahre 2020 um 40 % zunimmt. Diese Menge würde ausreichen, um zwei Mal alle hungernden der Welt zu versorgen.

Die Lebensmittelverschwendung führt jedoch neben sozialen Problematiken und Wirtschaftseinbußen, auch Umweltschäden mit sich. Die finanzielle Einbuße belaufen sich jährlich auf 565 Milliarden Euro. Die Produktion dieser nicht gegessen Lebensmittel verbraucht jedes Jahr 350 Kubikkilometer Wasser und lässt bei der Herstellung jährlich Treibhausgase entstehen, die der Wirkung von 3,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entsprächen (FAO (2011). Global food losses and food waste – extent causes and prevention.Rom).

 

 

Biodiversität:

Die Ernährung der Menschheit wird zusehens von wenigen Sorten abhängig; 30 Sorten ernähren 90 Prozent der Menschen. An den Ursprüngen der Landwirtschaft waren es 7.000 unterschiedliche Sorten.

Einen ähnlich drastischen Verlust an Biodiversität gibt es auch in der Tierwelt. Eine Studie der Europäischen Kommission (Mai 2015) zeichnet folgendes Bild: Die Zahl an Schmetterlingen, Bienen und Vögel geht zurück. So hat sich die Population der auf Wiesen lebenden Schmetterlinge zwischen 1990 und 2011 halbiert. 24 Prozent der europäischen Hummelarten sind vom Aussterben bedroht. Die Studie warnt auch vor einem Rückgang der bestäubenden Insekten, was Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben könnte. 84 Prozent der europäischen Ernten sind davon abhängig“.

Der Alpenraum ist der „hot spot” für die biologische Vielfalt („Biodiversität“) in Europa, von der Vielfalt der Landschaften, Lebensräume, der Tier-, Pflanzen- und Mikroorganismenarten sowie der Vielfalt auf der genetischen Ebene bis hin zu den menschlichen Nutzungsformen. Betrachtet man nur die Artenvielfalt, so schätzt man, dass auf der Erde zwischen fünf und 30 Millionen Arten vorkommen, von denen bisher aber erst rund 1,7 Millionen Arten bekannt sind. Der Anteil der durch den Menschen genutzten Arten beläuft sich auf weniger als 0,1 Prozent aller Arten. Alle anderen Arten weisen auf dem ersten Blick keinen direkten Nutzen für den Menschen auf. Diese Annahme ist aber gänzlich falsch! Vielfach ist es diese Biodiversität, die die Grundlage für viele Ökosystemleistungen stellt. So garantiert eine intakte Biodiversität die Bereitstellung von Trinkwasser auch für viele außerhalb des Alpenraums, schützt den Boden vor Erosion und erhält seine Fruchtbarkeit und ist die Basis für die Erzeugung von hochwertigen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen. Zudem steigert eine vielfältige Landschaft den Wert einer Destination für den Winter- und Sommertourismus und nicht zuletzt den Wert als Siedlungs- und Wirtschaftsraum. Der Schutz der Biodiversität ist somit nicht nur aus einem ethisch-moralischen Gesichtspunkt heraus eine Notwendigkeit, sondern ist von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.

Der gesamte Alpenraum ist in den letzten Jahrzehnten starken Einwirkungen unterworfen, die zu gravierenden Veränderungen der Umwelt führten und führen. Gerade die Biodiversität ist davon stark betroffen. Häufig führen Änderungen der Landnutzung (z.B. Monotonisierung, Intensivierung, Brachlegung), atmosphärische Einträge, z.B. in Form von Stickstoff, UVB-Strahlung oder CO2, die globale Erwärmung und allgemeine Habitatsveränderungen z.B. durch Siedlungstätigkeit, Verkehr, und z.T. Tourismus, zu drastischen Folgen. Dieser Wandel stellt in Frage, ob die Alpen auch künftig die Güter und Dienstleistungen bereitstellen können, die derzeit sowohl der Bevölkerung der Alpenregionen als auch den außerhalb Lebenden zugutekommen.

Südtirol stellt in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. Viele alte Kulturlandschaften sind bereits verschwunden, die agrarische Nutzung hat sich großflächig auf einige wenige Nutzungsformen (Obst-Weinbau, Grünland) reduziert und die landwirtschaftliche Nutzung ist überdurchschnittlich intensiv. Kein Wunder also, dass gerade die Biodiversität Südtiroler Landwirtschaftsflächen im Vergleich zu vielen Nachbaren überdurchschnittlich gering ist.

Biotechnologie:

Biotechnologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der technischen Nutzung von biologischen Systemen und lebenden Organismen sowie deren Stoffwechselprodukten befasst.

Biotechnologie beschäftigt sich mit der technischen und therapeutischen Nutzung von biologischen Systemen (biologische Schaltkreise) und lebenden Organismen (von Einzellern bis zu Kulturen aus Säugerzellen) sowie deren Produkten (z.B. Enzyme, Antibiotika oder Chemikalien).

Das Verständnis von Vorgängen auf molekularer Ebene bis hin zum Zusammenspiel von ganzen Zellen oder Geweben in einem Organismus ist die Voraussetzung für die Entwicklung und Verbesserung von Produkten, Prozessen und Therapeutika, wie sie insbesondere im Umweltschutz, der Lebensmittelherstellung, der chemischen Industrie und vor allem in der Medizin zum Einsatz kommen.

Hierbei spielen biologische Systeme eine entscheidende Rolle für unser Zukunft – wie wir in Zukunft nachhaltige Chemie betreiben werden (mit Zellen und Enzymen in Wasser statt Toluol und bei Raumtemperatur statt bei 1000 Grad) und wie wir Krankheiten diagnostizieren und heilen werden (mit biologischen Wirkstoffen wie Antikörpern und mit biologischen Schaltkreisen, die selbstständig auf Krankheitsbilder reagieren können).

Neben den klassischen Anwendungen in Bereichen wie Chemie, Medizin/Pharmazie ist Biotechnologie in den letzten 10 Jahren deutlich komplexer und interdisziplinärer geworden. Es gibt starke Verbindungen zu Bereichen wie den Ingenieurswissenschaften, Materialwissenschaften, Mikrotechnologie und vermehrt auch zu theoretischen Wissenschaften wie der Mathematik. Mit ihrem technischen Verständnis sind Biotechnologen auch hervorragend geeignet, diese Entwicklung voranzutreiben und davon zu profitieren. (https://www.ethz.ch/de/studium/bachelor/studienangebot/ingenieurwissenschaften/biotechnologie/was-ist.html)

Schule und Bildung:

In den verschiedenen Ländern weltweit gibt es tolle Projektideen für den Bereich „Ernährung“ (Schweiz: http://www.sge-ssn.ch/bildung-und-schule/ernaehrung-im-unterricht/schulprojekte/ ; Deutschland: http://www.bzga.de/themenschwerpunkte/ernaehrung-bewegung-stressregulation/ ; http://www.aid.de/lernen/ernaehrungsfuehrerschein.php )   und auch in Südtirol ist bereits einiges an Ideen und Projekten vorhanden (s. u. a. http://www.mahlzeit.it/index.php?option=com_content&view=article&id=9&Itemid=112&lang=de ; gefördert und unterstützt werden Projekte u. a. auch vom Deutschen Schulamt: http://www.provinz.bz.it/schulamt/verwaltung/gesundheitsfoerderung.asp ).

Insgesamt gesehen fehlt in vielen Ländern und auch in Südtirol noch die Umsetzung des theoretischen Wissens in die Praxis, v. a. die Schulmensen betreffend. (s. http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/un-bericht-ueber-schulmahlzeiten-schulkinder-essen-oft-zu-ungesund-a-901581.html )

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